Tausche Massage gegen Fensterputzen
Konsum: Mit Talenten dem Kapitalismus ein Schnäppchen schlagen: Die Ware, die beim Tauschring gehandelt wird, kann auch immateriell sein. Von Lisa Maria Sporrer
Ein Gärtner schneidet den Buchs im Garten einer alten Dame. Sie zahlt mit einer Museums-Führung. Ein anderer bietet seine Hilfe bei Tischdekorationen für alle Anlässe an, dafür kann er sich die Fenster putzen lassen. „Jeder Mensch hat Talente", sagt Edeltraud Kraus, die vor sechs Jahren die Idee hatte, diese Talente zu tauschen.
Es geht dabei nicht nur um ein sich veränderndes Konsumverhalten; es geht auch um mehr
Teilhabe ausgegrenzter Menschen. Um jene, die mit ihrer Arbeitskraft nicht mehr am Arbeitsleben teilnehmen. Und es geht auch um eine Art gesellschaftlichen Paralleltrend, den auch die jüngere Generation zunehmend interessant findet. „Als Altenpflegerin ist mir aufgefallen, dass alte
Menschen ihre Begabungen nicht mehr genügend einbringen können", sagt Kraus. Warum also
nicht auch Dienstleistungen tauschen in Zeiten, in denen Mitwohnzentralen, Lesezirkel und
Flohmärkte schon lange integriert sind.
Jeden zweiten Mittwoch im Monat trifft sich der Illertisser Tauschring im Pfarrheim von St. Martin, aktualisiert die Listen und nimmt neue Mitglieder auf. Einige kommen um zu reden, andere um die Kurzvorträge zu hören, die alle drei Monate stattfinden. „Wir sind keine feste Gruppe", meint Kraus, „wir sind alle nur Menschen mit verschiedenen Talenten die zufällig zusammenkommen."
"Die Möglichkeiten sind unbegrenzt", sagt Birgitta Vogel aus dem Organisationsteam. Die Angebote umfassen neben Handwerk, Reparaturen, Backen und Büro auch Fahrdienste, Kinderbetreuung, Gesundheitsangebote und Leihgeräte. Emilie Asam stellt ihre Dienste für Handarbeiten zur Verfügung, berät im Kräutergarten und gibt Führungen. „Was mich so fasziniert ist, was die Menschen alles können", sagt sie. Die Idee eines Tauschrings stelle nicht nur das gängige Konsumverhalten in Frage, sie nütze auch dem Gemeinschaftssinn und spende Anerkennung. Paul Marksteiner: „Wichtig ist die Idee, dass Talente nicht überflüssig sind."
Verrechnung über Zeitkonten
Partner Die Talente schlagen sich beim Tauschring in Zeitkonten wieder. Denn nicht einen konkreten Tauschpartner findet man dort im Sinne von: ich schneide dir die Haare und du massierst mich; jeder verfügt über ein Tauschring-Scheckheft, in dem jede Leistung in
Talenten eingetragen wird. Eine Stunde sind umgerechnet 10 Talente, jede Arbeit ist gleich viel
Wert. Die Tauschringvorgänge werden nach Soll und Haben auf dem Zeitkonto verbucht. Ein
Beispiel: Wenn jemand einen Angehörigen auf eine Beerdigung begleitet, wird diese Zeit auf
seinem Konto gutgeschrieben und das des Angehörigen belastet. Mit seinem Plus kann der Begleiter nun andere Dienste in Anspruch nehmen. Der andere hat ein Minus auf seinem
Konto.